Regie | Miguel Gomes |
Kinostart | 03.06.2010 |
Gerade gegen Ende merkt Michael Kienzl "dem Film seine Dauer von 150 Minuten auch an. Die schnulzigen Schlager – die im Gegensatz zur folkloristischen Musik der ersten Hälfte nur in kleinen Dosen zu ertragen sind – werden geradezu inflationär eingesetzt, ohne mit jedem weiteren Mal etwas Neues zu erzählen. Hier hätte sich Miguel Gomes durchaus von einigem Material trennen können, ohne die freie Struktur aufzugeben, die seinen Film auszeichnet."
Julia Teichmann beruhigt uns: "AQUELE QUERIDO MES DE AGOSTO ist 150 Minuten lang, und die durchgehaltene fiktionale Erzählung beginnt ungefähr nach der Hälfte des Films. Aber das sollte niemanden abschrecken. Filme, die glücklich machen, müssen manchmal etwas länger dauern."
Lukas Foerster mochte die Mischung aus Fiktion und Doku: "Im dokumentarischen Bild wird fabuliert, im fiktionalen bleiben präfiktionale Rückstände. Dann gibt es in dieser Wundertüte von einem Film noch Sachen, die in keinem der beiden aufgehen. Zum Beispiel Musik, die das Mikrophon hört, aber das menschliche Ohr nicht. Oder umgekehrt."
Für Sarah Sander ist der eigentliche Star des Filmes die Musik: "Die populären regionalen Bands, mit ihren nächtlichen Auftritten, den Proben und sommerlich sehnsüchtigen Texten, liefern nicht nur den portraitierten Soundtrack des Films, sie transportieren auch das wohlige Gefühl eines warmen südlichen Sommers, erzählen den Geschmack der staubigen Luft und den Geruch nach schalem Bier, wie es kaum eine Farbe oder Landschaft vermag."
Josef Nagel ist begeistert. "Die populären Melodien und Texte der Lieder spiegeln keine pittoreske ländliche Idylle, sondern einen Mikrokosmos im Umbruch: in der Begegnung mit Heimkehrern, Originalen und finanziellen Sorgen fern der hauptstädtischen Metropole. Dass dort der Verdacht auf eine inzestuöse Beziehung zwischen Vater und Tochter (die Mutter ist angeblich mit einem Mann verschwunden) vom Schwager im Wechselgesang thematisiert wird, führt nicht zum Tabubruch. Der Fim ist eine verblüffend natürliche Momentaufnahme des einfachen Lebens, einer Bevölkerung am Rand der Wohlstandsgesellschaft mit all ihren Klischees, Hoffnungen, Sorgen und ihrer Resignation. Es sind diese Augenblicke der Wahrheit, die kleinen Fluchten, in denen die Poesie des ungeschminkten Alltags und das kleine Glück aufblitzen."
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Der Film erzählt laut Dunja Bialas nicht auf herkömmliche Weise. "Die Figurenkonstellation löst sich schließlich wie in einer klassischem Komödie zugunsten der jungen Liebenden (Cousin und Cousine) und gegen die "dummen" Alten auf. Aber nicht diese von Abgründigkeit durchsetzte Feuilleton-Geschichte macht den Film aus; will man von ihm sprechen, so muss ein völlig anderer Zugang gewählt werden, um das unfassbar Schöne, den reinen Sonnenschein, den der Film ausstrahlt, zu begreifen."
Wie Dominik Kamalzadeh findet, webt der Film "einen langen Teppich aus Impressionen im dokumentarischen Modus, er erstellt das Porträt einer Region, die im Sommer von Exilportugiesen gestürmt wird - und schon das hätte einen eindringlichen Film ergeben. Miguel Gomes erweitert diese Szenen aber noch um fiktionale Einsprengsel über eine Familie, deren Ordnung durcheinanderkommt. Oder er thematisiert die Filmarbeit selbst, wenn er sich mit seinem Produzenten über die schwierigen Konditionen berät, zwischendurch neue Darsteller castet und immer wieder den Kamera- oder Tonmann ins Bild rückt."